Ich sehe was, was du nicht siehst
Stell dir vor, du blickst in einen Spiegel, der nicht nur dein Äußeres, sondern auch deine gesamten Eigenschaften, Verhaltens- und Denkweisen reflektiert. Ist das Bild, das du von dir siehst, das gleiche, das andere von dir haben? Um diese Frage geht es bei der Selbst – und Fremdwahrnehmung. Was genau das ist und wieso Selbst- und Fremdbild, vor allem in der Arbeitswelt, nicht zu sehr voneinander abweichen sollten, erfährst du in diesem Artikel.
Selbst- und Fremdwahrnehmung
Unsere Selbstwahrnehmung beschreibt, wie wir uns selbst als Person mit all unseren Denk- und Verhaltensweisen wahrnehmen. Sie hängt von mehreren Einflüssen ab, zum Beispiel von unseren Werten, Erfahrungen und Wünschen. Aber auch Rückmeldung von außen kann unser Selbstbild stark beeinflussen.
Personen mit einer guten Selbstwahrnehmung kennen sich selbst und können die eigenen Stärken, Schwächen und Gefühle einordnen und verstehen. Zudem wissen sie, wie sie auf Außenstehende wirken. (1)(2)
Die Fremdwahrnehmung beschreibt hingegen, wie andere uns sehen und wahrnehmen. Sie stricken sich ein Bild von uns, das durch Faktoren wie Aussehen, Sprache, Verhalten oder Körpersprache geprägt wird. Aber auch ihre eigenen Erfahrungen, Werte und Denkweisen beeinflussen, wie Außenstehende uns wahrnehmen. (2)(3)
Wieso sollten Selbst- und Fremdbild übereinstimmen?
„Ist doch egal, was andere über mich denken und wie sie mich sehen.“ So leicht ist es leider meistens nicht: Wenn Selbst- und Fremdbild stark voneinander abweichen, kann das zu Konflikten und Unsicherheiten führen, worunter unser Selbstwertgefühl leidet. Zum Beispiel, wenn wir ständig von außen auf unsere vermeintlichen Schwächen hingewiesen werden.
Anders gesagt: Je stärker unser Selbstbild mit dem Fremdbild übereinstimmt, desto besser ist unser Selbstwertgefühl und unsere Zufriedenheit. Deswegen ist es wichtig, sich mit der eigenen Persönlichkeit auseinanderzusetzen und sich möglichst gut zu kennen. (4)
Selbst- und Fremdwahrnehmung in der Arbeitswelt
Auch im Bezug auf die Arbeitswelt ist es wichtig, dass die Selbst – und Fremdwahrnehmung nicht zu stark voneinander abweichen. Sonst kann es schnell zu Konflikten und Missverständnissen kommen. Zum Beispiel, wenn wir uns nicht bewusst sind, wie wir mit unserer Körpersprache auf andere wirken: Während du dich selbst als gelassen wahrnimmst, könntest du auf deinen Arbeitskollegen gelangweilt wirken.
Zudem neigen viele Menschen mit einem nicht so guten Selbstbild dazu, sich selbst zu unterschätzen. Dadurch trauen sie sich viele Dinge nicht zu, die sie eigentlich schaffen könnten. Sie arbeiten also unter ihrem Niveau und halten sich selbst klein. In anderen Fällen kann es auch zu dem genauen Gegenteil kommen: extremer Selbstüberschätzung. Menschen, die sich selbst überschätzen, nehmen oft Aufgaben und Projekte an, die eigentlich nicht unbedingt zu ihren Stärken gehören. (2)(4)
Das Johari Fenster
Das sogenannte Johari Fenster wurde 1955 von den von amerikanischen Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham entwickelt. Es dient dem Abbild von Selbst- und Fremdwahrnhemung. Das Modell setzt sich aus vier Bereichen zusammen, die die bewussten und unbewussten Verhaltensweisen sowie Persönlichkeitsmerkmale einer Person gegenübergestellen:
1. Persönliche Geheimnisse:
In diesen Bereich fallen alle Dinge, die wir selbst über uns wissen, andere aber nicht. Das können zum Einen Dinge sein, die wir bewusst zurückhalten. Dazu gehören aber auch persönliche Informationen wie zum Beispiel Wertvorstellungen, religiöse Ansichten oder intime Wünsche.
2. Öffentliche Person:
Dazu gehören alle Dinge, die sowohl uns selbst, als auch unserem Umfeld bekannt sind. Zum Beispiel, ob wir Kaffee trinken oder in welchem Bereich wir arbeiten.
3. Blinder Fleck:
Zum blinden Fleck gehören alle Eigenschaften und Begabungen, die uns selbst nicht bewusst sind, andere aber wahrnehmen. Das kann sich sowohl auf positive, als auch auf negative Dinge beziehen.
4. Unentdecktes:
Dazu gehören Eigenschaften und Kompetenzen, von denen weder wir selbst noch unser Umfeld wissen, dass wir sie besitzen. Das könnte zum Beispiel eine unentdeckte Begabung für einen bestimmten Sport sein.
Das Johari Fenster nutzen häufig Teams, die eng zusammen arbeiten. Die Theorie hinter dem Model ist, dass zwischenmenschliche Kommunikation besser wird, wenn sich Selbst- und Fremdwahrnehmung annähern. Dadurch sollen Missverständnisse vermieden und Konflikte leichter gelöst werden. (4)(5)
Tipps für ein realistisches Selbstbild
1. Nach Feedback fragen:
Indem wir unser Umfeld nach einer ehrlichen Einschätzung fragen, können wir unsere Selbstwahrnehmung mit dem Fremdbild abgleichen. Zudem erfahren wir, wie wir auf andere wirken und können dann überlegen, ob diese Wirkung von uns gewollt ist. (6)
2. Zeit für sich selbst nehmen:
Es kann helfen, wenn wir uns hin und wieder bewusst Zeit für uns selbst nehmen. Dann können wir uns Gedanken über unsere Situation, Denkweisen, Eigenschaften und unser Leben machen. Dadurch können wir reflektieren und viel über uns selbst erfahren. (1)
3. Realistisch bleiben:
Durch zu hohe Erwartungen an uns selbst kann ein negatives Selbstbild entstehen. Die Ziele können zwar ambitioniert sein, sollten aber trotzdem realistisch bleiben. Sonst kann es schnell zu Unzufriedenheit und Versagensängsten kommen, was ein negatives Selbstbild begünstigt. (6)