Mann liegt vor Meereslandschaft und verbindet sich mit sich selbst. Er ist ein guter Freund zu sich selbst und zeigt Selbstmitgefühl

Selbstmitgefühl – Sei dir selbst ein guter Freund

Selbstmitgefühl – was genau ist das?

Wie reagierst du, wenn du einen Fehler machst? Kritisierst du dich für dein Verhalten? Machst du dich vielleicht sogar selbst runter? 

In diesem Artikel möchte ich dir eine freundlichere Möglichkeit vorstellen, mit dem Gefühl des Scheiterns aber auch mit Scham umzugehen: Selbstmitgefühl.

Einfach ausgedrückt ist es das Mitgefühl, das wir nicht anderen, sondern uns selbst entgegenbringen. Es geht darum, dass wir uns in schwierigen Situationen, wie nach einer Kündigung oder Trennung vom Partner, mit Verständnis begegnen. 

Fehler sind in Ordnung

Wir alle machen hin und wieder Fehler. Wir erfüllen unsere eigenen Erwartungen nicht oder verstricken uns in negativen Gedanken.

Das ist nur menschlich. Fehler zu machen, ist okay. Überzogene Selbstkritik oder Selbstverurteilung ist in einem solchen Moment fehl am Platz. Sie bringt uns nicht weiter, sondern führt nur dazu, dass wir uns noch schlechter fühlen. Versuche stattdessen deinen eigenen Gedanken und Gefühlen Akzeptanz und Mitgefühl entgegenzubringen. So kannst du dich konstruktiv weiterentwickeln. 

Konstruktive Weiterentwicklung durch Selbstmitgefühl

Achtsames Mitgefühl ermöglicht es dir, von außen auf deine Situation zu schauen. Durch die neue Perspektive fällt es dir leichter, wohlwollend mit dir selbst umzugehen. Anstatt zu denken: „Ich habe es schon wieder nicht geschafft“, „Jeder andere bekommt es hin, nur ich nicht“, solltest du dich selbst aufbauen und unterstützen: „Beim nächsten Mal kann ich es besser machen“, „Sowas kommt vor, es passiert nicht nur mir“. Durch die neue Perspektive, die dir Selbstmitgefühl ermöglicht, findest du vielleicht sogar neue Lösungsansätze für Probleme. Du schaffst es, dich auch unangenehmen Gefühle zu öffnen, anstatt dich vor ihnen zu verstecken oder sie zu verstärken. Das macht dich stärker.

Stelle dir dafür die Frage: Wie würde ich mit einem guten Freund in dieser Situation umgehen? Sicherlich würdest du ihn nicht aufgrund des Fehlers fertigmachen. Du würdest versuchen, ihn zu unterstützen und zu trösten. Behandle dich auch selbst wie einen guten Freund. (1)(2)

Eine junge Frau sitz auf einem Sofa. Sie hält mit geschlossenen Augen ihren Kopf zwischen den Händen und stützt dabei ihre Ellenbogen auf ihren Knien ab.

Selbstmitgefühl statt Selbstmitleid

Selbstmitgefühl und Selbstmitleid klingen zunächst sehr ähnlich. Sie sind aber etwas komplett Verschiedenes. Wenn wir in Selbstmitleid versinken, sehen wir uns als das Opfer einer Situation. Die Gedanken drehen sich nur um unsere hoffnungslose Situation. Wir fühlen uns hilflos.

Oft weisen wir anderen Personen die Schuld für unsere Lage zu. Somit geben wir die Verantwortung ab. Wir haben das Gefühl, eh nichts an der Situation ändern zu können und sehen uns in der Opferrolle. Dadurch entsteht Stress. Wir setzen uns nicht aktiv mit der Situation auseinander und finden auch keine konstruktive Lösung.

Stattdessen begegnen wir der Situation mit einer Art Ohnmachtsgefühl und versinken in einer Spirale aus negativen Gedanken. Wir stecken in diesen Gedanken und Gefühlen fest und kommen nicht mehr aus der Selbstkritik und dem Grübeln heraus. 

Selbstmitgefühl gibt uns hingegen die Kraft, die Situation mit dem nötigen Abstand zu betrachten. Es weckt in uns den Willen, etwas an der Situation zu verändern. Wir verlassen die Opferrolle und gehen Probleme aktiv an. (3)(4)

Worauf basiert Selbstmitgefühl?

Die Psychologin Kristin Neff hat ein Konzept für Selbstmitgefühl entwickelt, das auf drei Bausteinen basiert: Mitmenschlichkeit, Achtsamkeit und Selbstfreundlichkeit. 

1. Mitmenschlichkeit:

Führe dir vor Augen, dass jeder Mensch hin und wieder Fehler macht, scheitert und mit schwierigen Situationen zu kämpfen hat. Das gehört zum Menschsein und dem Leben dazu. Wenn du dir diese Mitmenschlichkeit bewusst machst, merkst du, dass du mit dem Scheitern nicht allein bist.

2. Achtsamkeit:

Durch Achtsamkeit  machst du dir deine eigenen Gedanken und Gefühle bewusst. Auch die negativen. Im nächsten Schritt musst du diese annehmen, ohne sie negativ oder positiv zu bewerten. Das ermöglicht es dir, deine Situation von außen zu betrachten. Wenn du feststellst, dass du leidest, kannst du überlegen: „Was kann ich tun, damit es mir besser geht?“. 

Ein junger Mann steht draußen und blickt mit geschlossenen Augen Richtung Sonne.

3. Selbstfreundlichkeit:

Begegne dir freundlich und verständnisvoll. Denn jeder Mensch verdient Mitgefühl, auch du selbst.

Letztendlich müssen wir lernen, uns selbst wie einen guten Freund zu behandeln. Diesem würden wir bei Problemen Mut zusprechen und Verständnis für seine Situation zeigen, anstatt ihn zu kritisieren. Genau das können wir auch für uns selbst tun. (2)(3)

Krisenbewältigung – was bringt uns Selbstmitgefühl?

Negative Gefühle? Die gibt es nicht. Trauer, Schmerz, Scham, Wut und Angst fühlen sich manchmal sehr unangenehm an. Aber sie alle haben ihre Berechtigung. Sie möchten uns etwas mitteilen. In einer akuten Lebenskrise oder einer schwierigen Situation fällt es uns oft schwer, das zu erkennen. Wir versuchen diese negativen Gefühle möglichst schnell loszuwerden. Wir betäuben sie beispielsweise mit Alkohol oder Schokolade. Wenn wir ein Problem verdrängen, stoßen wir aber nicht zum Kern der Sache vor. Oft wir nehmen wir gar nicht wahr, was uns eigentlich Schmerzen bereitet.

Mit Selbstmitgefühl fällt es uns diese Wahrnehmung leichter. Wir nehmen eine positive und konstruktive Sichtweise auf uns selbst ein. So schaffen wir es viel besser, Krisennachhaltig zu bewältigen. Selbstmitgefühl hilft uns, Verständnis und Akzeptanz für unsere Situation aufzubringen, zum Beispiel nach einer Kündigung. Dadurch können wir ihr mit weniger Widerstand und Stress begegnen. Wir öffnen uns für uns selbst und unsere Bedürfnisse.

Besänftige deinen inneren Kritiker

Wenn wir nicht das Gefühl haben, ständig alles perfekt machen zu müssen, können wir entspannter durch den Alltag gehen. Wir haben weniger Angst etwas falsch zu machen. Zudem fühlen wir uns zufriedener und sind motivierter, neue Dinge anzugehen. Anstatt uns ständig für unser Handeln zu kritisieren, sprechen wir uns Mut zu. Auf Dauer sind wir dadurch ausgeglichener, leistungsfähiger und resilienter. Resilient sein bedeutet, Lebenskrisen wie eine Krankheit ohne dauerhaften seelischen Schaden zu überstehen.

Selbstmitgefühl bringt uns außerdem zur Selbstwirksamkeit. Selbstwirksame Menschen sind der Überzeugung, auch schwierige Situationen bewältigen zu können. Daher begegnen sie neuen Herausforderungen mit Optimismus. (2)(4)

Eine junge Frau sitzt vor einem Laptop. Sie greift sich dabei mit geschlossenen Augen an den Nasenrücken.

Optimismus statt übertriebener Selbstkritik

Wenn wir sehr selbstkritisch sind, nehmen wir Scheitern oft als besonders schlimm wahr. Als Folge können wir nicht so gut mit Krisen umgehen. Durch die Selbstkritik neigen wir dazu, perfektionistisch zu sein. Auf längere Sicht kann das schneller zu depressiven Verstimmungen führen.

Selbstkritisch sind wir insbesondere dann, wenn wir uns vergleichen. Vor allem über Social Media werden wir ständig mit einer perfekten Scheinwelt konfrontiert. Der Druck da mitzuhalten, kann sehr belastend sein. In unserem Wissensartikel zum Thema Neid erfährst du, wie du aus der Spirale aus Vergleich und Unzufriedenheit wieder herauskommst.

Im direkten Vergleich sehen wir: Selbstmitgefühl hilft uns dabei, mit Optimismus an neue Herausforderungen heranzutreten. Es macht uns leistungsstärker, resilienter und zufriedener. Mangelndes Selbstmitgefühl und starke Selbstkritik führen hingegen dazu, dass unsere Leistungsfähigkeit und die allgemeine Zufriedenheit im Leben abnehmen. (3)(4)

Wie lässt sich Selbstmitgefühl konkret anwenden?

Ich möchte dir jetzt einige Übungen zeigen, mit denen du Selbstmitgefühl in deinen Alltag integrieren kannst. Entwickelt wurden diese Übungen von der Psychologin Kristin Neff. Sie basieren auf den drei Bausteinen des Selbstmitgefühls: Mitmenschlichkeit, Achtsamkeit und Selbstfürsorge.

Übung 1 – Wie würdest du einen guten Freund behandeln?

Stell dir die Frage: Wie würde ich einen guten Freund in einer schwierigen Situation behandeln? Durch diesen Perspektivwechsel fällt es dir leichter, dir mit Selbstmitgefühl zu begegnen. Am besten machst du dir für die Beantwortung der Fragen schriftlich Notizen.

Stell dir zunächst eine Situation vor, in der es einem engen Freund von dir sehr schlecht geht. Schreibe auf, was du in so einer Situation machst. Was sagst du zu ihm und in welchem Ton sagst du es?

Eine Person hilft einem jungen Mann beim Aufstieg eines Berges, indem sie ihn an der Hand nach oben zieht.

Jetzt stell dir eine Situation vor, in der es dir schlecht geht. Wie verhältst du dich dir selbst gegenüber? Stell dir die Frage: Was sagst du zu dir und in welchem Ton sagst du es?

Im nächsten Schritt schaust du, ob du einen Unterschied zwischen dem Verhalten deinem Freund und dir selbst gegenüber erkennen kannst. Wenn ja, mache dir Gedanken, wieso das so ist. Welche Faktoren oder Ängste kommen ins Spiel, durch die du andere und dich selbst unterschiedlich behandelst?

Als letztes schreibst du die Dinge auf, die sich ändern würden, wenn du auf deine eigene Situation genauso reagieren würdest wie bei deinem Freund. (5)

Übung 2 – Selbstmitgefühlspause

Die Übung der Selbstmitgefühlspause kannst du jederzeit und überall sehr leicht anwenden. Sie soll dir dabei helfen, die drei Aspekte des Selbstmitgefühls hervorzurufen, wenn du sie am meisten brauchst.

1. Schritt

Erinnere dich an eine Situation in deinem Leben zurück, die dir Stress bereitet hat. Versuche den Stress in deinem Körper zu spüren. Jetzt sage dir: „Das ist ein Moment des Leidens“, „Das ist Stress“ oder „Das tut weh“. Dadurch bringst du deinen Gefühlen Achtsamkeit entgegen und nimmst dein Leiden wahr.

2. Schritt

Sage dir danach Sätze wie: „Leiden ist ein Teil des Lebens“, „Andere Menschen empfinden das auch so“ oder „Ich bin nicht allein“. Dadurch wird dir bewusst, wie menschlich dein Leiden ist. Anderen geht es nämlich genau so.

3. Schritt

Lege deine Hand auf dein Herz und spüre die Wärme und die Berührung. Sage zu dir selbst: „Möge ich freundlich zu mir sein“, Möge ich mir das Mitgefühl geben, das ich brauche“ oder „Möge ich mich so annehmen, wie ich bin“. Bringe dir somit die Freundlichkeit und Akzeptanz gegenüber, die du benötigst. (6)

Eine junge Frau hat die Arme vor ihrer Brust überkreuzt und drückt sich. Dabei sind ihre Augen geschlossen und sie lächelt.

Übung 3 – Unterstützende Berührung

Durch Berührungen wird das Glückshormon Oxytocin in unserem Gehirn freigesetzt. Es sorgt dafür, dass du dich sicher und weniger gestresst fühlst. Das Gute ist, dass die Berührungen nicht von jemand anderem stammen müssen. Somit hast du die Möglichkeit, dich jederzeit durch eine Berührung selbst zu trösten.

Atme tief ein und aus, sobald du merkst, dass du dich gestresst fühlst. Lege deine Hand auf dein Herz und nehme die Berührung bewusst wahr. Wenn du willst, kannst du deine Hand auch bewegen, zum Beispiel in langsamen Kreisen.

Spüre dabei, wie sich deine Brust beim Ein- und Ausatmen hebt und senkt. Je nach persönlicher Empfindung kannst du deine Hand auch an eine andere Stelle deines Körpers legen, beispielsweise auf die Wange oder den Bauch. Wenn es dir lieber ist, kannst du auch langsam über deine Arme streicheln oder diese überkreuzen und dich sanft drücken. Dafür gibt es keine bestimmten Vorgaben. Es ist nur wichtig, dass du dich selbst mit der Berührung wohl fühlst. (7)

Übung 4 – Tagebuch für Selbstmitgefühl

Das Führen eines Tagebuchs ist eine gute Möglichkeit, die eigenen Emotionen auszudrücken. Zudem verbessert es das geistige und körperliche Wohlbefinden.

Versuche über den Zeitraum von zunächst einer Woche ein Tagebuch mit Selbstmitgefühl zu führen. Dafür lässt du jeden Abend die Ereignisse des Tages nochmal Revue passieren. Danach überlegst du, in welchen Momenten du dich schlecht oder unzufrieden gefühlt hast. Diese notierst du in dein Tagebuch. Dabei wendest du die drei Aspekte des Selbstmitgefühls an.

Mitmenschlichkeit

Unter dem Aspekt der Mitmenschlichkeit schreibst du auf, inwiefern dein Handeln menschlich war. Zum Beispiel, indem du anerkennst, dass Menschsein bedeutet, nicht perfekt zu sein. Du kannst auch aufschreiben, wodurch es zu deiner schmerzhaften Erfahrung gekommen ist. 

Achtsamkeit

Mithilfe der Achtsamkeit machst du dir deine schmerzhaften Emotionen bewusst. Schreibe auf, wie du dich gefühlt hast, zum Beispiel traurig, verängstigt oder beschämt. Probiere diese Emotionen zu akzeptieren, anstatt sie zu beurteilen, wegzudrücken oder ihnen zu viel Bedeutung beizumessen.

Selbstfürsorge

Behandele dich zuletzt mit Selbstfürsorge, indem du dich mit verständnisvollen und freundlichen Worten tröstest. Wähle dafür einen sanften und beruhigenden Ton. Schreibe die Sätze auf. (8)

(1) Oelschlegel, Lena.(24.09.2020).Wie du selbst deine beste Freundin wirst. https://www.womenshealth.de/soulsister/heart/selbstmitgefuehl/

(2) Dr. Neff, Kristin.Was Selbstmitgefühl ist. Die drei Elemente des Selbstmitgefühls. https://self-compassion.org/the-three-elements-of-self-compassion-2/

(3) Weber, Petra. Emotionale Resilienz durch Selbstmitgefühl- wie wir Stress und Krisen mit Selbstmitgefühl besser bewältigen.https://www.coachingzentrumheidelberg.de/2020/05/17/emotionale-resilienz-durch-selbstmitgef%C3%BChl-wie-wir-stress-und-krisen-mit-selbstmitgef%C3%BChl-besser-bew%C3%A4ltigen/

(4) Bloom, Chris.(13.12.2022). Selbstmitgefühl: Behandle dich selbst wie einen guten Freund. https://chrisbloom.de/blog/selbstmitgefuehl/#Vorteile_von_Selbstmitgefuhl

(5) Dr. Neff, Kristin. Übung 1: Wie würdest du einen Freund behandeln?.https://self-compassion.org/exercise-1-treat-friend/

(6) Dr. Neff, Kristin.Übung 2: Selbstmitgefühlspause. https://self-compassion.org/exercise-2-self-compassion-break/

(7) Dr. Neff, Kristin. Übung 4: Unterstützende Berührung. https://self-compassion.org/exercise-4-supportive-touch/

(8) Dr. Neff, Kristin. Übung 6: Tagebuch für Selbstmitgefühl. https://self-compassion.org/exercise-6-self-compassion-journal/

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