Junge Frau zieht sich beschämt ihren Pullover über Mund und Nase.

Scham – Das Gefühl sich in Luft auflösen zu wollen

Was ist Scham?

Kennst du dieses Gefühl, wenn du am liebsten im Erdboden verschwinden willst? Du spürst wie dein Kopf rot anläuft und du zu schwitzen beginnst. Du hast das Gefühl, dass alle Augen auf dich gerichtet sind, während du völlig entblößt dastehst. So fühlt sich Scham an.

Sie schlägt zu, wenn du bei einer Lüge ertappt wirst oder bei Bekannten eine teure Vase kaputt machst. Aber wieso schämen wir uns überhaupt? Und hat Scham vielleicht auch etwas Gutes?

Mehr als nur peinlich

Peinlichkeit und Scham liegen nah beieinander. Jedoch sind sie nicht das Gleiche. Peinlichkeit ist ein viel schwächeres Gefühl als Scham. Das merken wir daran, dass unser Körper nicht so stark reagiert. Wenn uns etwas peinlich ist, können wir oft darüber lachen und sind schnell wieder darüber hinweg. Schämen wir uns für etwas, fühlen wir uns hingegen ohnmächtig und oft auch gedemütigt.(1)

Scham vs. Schuld

Scham und Schuld treten häufig zusammen auf. Jedoch unterscheiden sie sich voneinander. Fühlen wir uns schuldig, bewerten wir unser Handeln negativ. Wir bedauern das, was wir getan haben. Dabei empfinden wir häufig gegenüber einer anderen Person Schuld. Zum Beispiel, wenn wir eine wichtige Deadline für ein Projekt verpassen und das Team darunter leidet. Dann begleiten uns Gedanken wie: Ich habe einen Fehler gemacht.

Schämen wir uns für etwas, bewerten wir hingegen unsere eigene Person negativ. Wir beziehen das Schamgefühl auf uns selbst. Das kann zum Beispiel passieren, wenn wir vergessen einer guten Freundin zum Geburtstag zu gratulieren. Dann denken wir uns: Ich bin so ein schlechter Mensch. (2)(3)

Eigenschaften von Scham

Scham empfindet keiner von uns gerne. Auch wenn jeder Mensch ein unterschiedlich starkes Schamgefühl hat. Was in dem Einen den Wunsch auslöst, sich in Luft auflösen zu wollen, ist für einen Anderen überhaupt nicht beschämend. Das hängt von Faktoren wie den persönlichen Wertvorstellungen oder dem sozialen Umfeld ab.

Scham hat außerdem die Eigenschaft, dass sie unberechenbar ist. Wir können nicht steuern, ob uns ein Moment derart unangenehm ist oder nicht. Es passiert einfach. (4)

Im Vordergrund ist ein Mann zu sehen, der nach unten schaut und sich an den Kopf greift. Im Hintergrund sind vier Personen zu erkennen, die über ihn lachen.

Wieso schämen wir uns?

Scham entsteht, wenn wir uns schwach fühlen oder nicht an gesellschaftliche Regeln halten. Wir haben Angst davor, eine negative Reaktion aus unserem Umfeld zu bekommen oder sogar ausgeschlossen zu werden.

Es reicht sogar alleine die Vorstellung an einen unangenehmen Moment, um Scham zu empfinden. Zum Beispiel wenn wir uns vorstellen, bei einer Präsentation ein Blackout zu haben. Die Situation muss also nicht mal in der Realität passieren.(4)

Was passiert in unserem Körper?

Typische Reaktionen von unserem Körper sind ein roter Kopf, Schwitzen, ein gesenkter Blick und Bewegungsunfähigkeit. Das hat mit der Reaktion unseres vegetativen Nervensystems zu tun. Es besteht aus zwei Gegenspielern: Dem Sympathikus und Parasympathikus.

Der Sympathikus ist in stressigen Situationen für eine Leistungssteigerung verantwortlich. Der Parasympathikus sorgt hingegen für Entspannung nach einem stressigen Moment. Normalerweise sind die Gegenspieler nicht gleichzeitig aktiv. Anders ist das jedoch, wenn wir uns schämen.

Während das sympathische Nervensystem für einen beschleunigten Puls und somit erröteten Kopf sorgt, lässt uns das parasympathische Nervensystem vor Scham erstarren. Dadurch entsteht dieses eigenartige Gefühl, wenn wir uns schämen. (4)(5)

Wofür schämen wir uns?

Es gibt viele verschiedene Gründe sich zu schämen. Zudem sind die Auslöser sehr individuell. Ein paar dieser Auslöser schauen wir uns im Folgenden näher an.

Körperscham

Unter Körperscham fällt zum einen, dass wir uns oft schämen, nackt vor anderen zu sein. Wir brauchen Umkleiden, um uns nicht vor allen Menschen entblößen zu müssen. Wenn wir nackt sind, fühlen wir uns schwach und angreifbar.

Zu der Körperscham gehört außerdem, wenn wir uns für unser Aussehen schämen. Wir empfinden uns als zu dick, unsere Nase zu groß oder die Beine zu kurz. Hier haben wir das Gefühl, uns nicht an gesellschaftliche Normen zu halten. In diesem Fall an ein bestimmtes Aussehen, das in unserer Gesellschaft als „schön“ empfunden wird. (1)

Im Vordergrund ist eine Frau zu sehen, die über ihre Schulter blickt. Im Hintergrund ziehen zwei Frauen über sie her.

Statusscham

Statusscham entsteht wenn wir unsere Rolle oder Position verlieren. Zum Beispiel unseren Beruf. Wir schämen uns dafür vor anderen und haben Angst vor negativen Reaktionen aus dem Umfeld. Zudem steht das Zugehörigkeitsgefühl zu einer bestimmten Gruppe oder Gesellschaft auf dem Spiel. (1)

Fremdscham

Fremdscham empfinden wir, wenn sich jemand anderes nicht an die gesellschaftlichen Normen hält, ohne sich dabei zu schämen. Zum Beispiel, wenn jemand laut in der Öffentlichkeit telefoniert oder mit offenem Hosenstall herumläuft.

Wir schämen uns fremd, weil wir uns in die Situation der anderen Person einfühlen. Wir stellen uns vor, selbst die Person in dieser Lage zu sein. Da uns das selbst sehr unangenehm wäre, schämen wir uns fremd. In unserem Gehirn sind sogar die gleichen Bereiche tätig, die auch für das Mitgefühl bei körperlichen Schmerzen verantwortlich sind.  (4)(6)

Scham hat auch etwas Gutes

Auch wenn Scham kein schönes Gefühl ist, bringt sie nicht nur schlechte Eigenschaften mit sich. Sie hilft uns dabei, uns an Regeln und gesellschaftliche Normen zu halten. Verhalten wir uns nicht so, wie wir es für richtig empfinden, schämen wir uns. Das nächste mal achten wir dann besser auf unser Handeln. Wir wollen nämlich nicht aus einer Gruppe ausgeschlossen werden.

Außerdem zeigen wir dem Umfeld durch unsere Reaktion, dass wir uns bewusst sind etwas falsch gemacht zu haben. Wir zeigen somit offensichtlich Reue. Dadurch wirken wir sympathischer auf unsere Mitmenschen.

Ein Experiment zeigte folgendes: Zuschauern wurden zwei Videos gezeigt. Auf beiden stieß ein Mann einen Stapel mit Toilettenpapier um. Einmal schämte er sich dafür, das andere Mal ließ ihn die Situation kalt. Das Ergebnis war, dass die Zuschauer den hilflosen Mann viel sympathischer fanden und ihm sogar geholfen hätten. (4)(7)

Toxische Scham – Wenn Scham uns krank macht

Scham ist also im Grunde nichts Schlechtes. Sie macht uns darauf aufmerksam, wenn wir mit unserem Handeln anecken, damit wir unser Verhalten in Zukunft ändern. Es gibt aber auch noch eine andere Art der Scham. Diese ist nicht so gesund: Toxische Scham.

Für Betroffene ist Scham nicht nur ein Gefühl in einem bestimmten Moment, sondern ein ständiger Wegbegleiter. Sie ist ein Teil von ihnen. Dadurch wird ihr gesamtes Leben beeinträchtigt. Betroffene empfinden sich nicht als liebenswert. Stattdessen fühlen sie sich unwürdig.

Dieses Form der Scham ergibt sich häufig aus traumatischen Erfahrungen in der Kindheit. Betroffene wuchsen zum Beispiel in einem missbräuchlichem Umfeld auf oder litten unter fehlender Wertschätzung. Die ständige Kritik und Ablehnung führt dazu, dass sie sich für beinahe alles, was sie tun und denken, schämen. (1)(8)

Ein junges Mädchen sitzt in einem Gang und hat verzweifelt die Hände vors Gesicht geschlagen.

Wie du mit Scham umgehen kannst

Auch wenn gesunde Scham nichts Schlechtes ist, fühlt sie sich trotzdem nicht schön an. Da wir sie aber so schnell nicht loswerden, sollten wir lernen, mit ihr zu leben. Hier sind ein paar Tipps!

Stell dich deiner Scham

Es kann helfen, wenn du dich der Scham stellen, anstatt sie wie ein Tabu-Thema zu behandeln. Du kannst mit Freunden oder Familie über die Situation sprechen, die in dir ein Schamgefühl ausgelöst hat.

Die Konfrontation mit den eigenen Schamgefühlen macht es auf Dauer leichter mit ihnen umzugehen. Im Austausch mit anderen merkst du außerdem, dass du nicht alleine mit deiner Scham bist. Jeder schämt sich mal, das ist nur menschlich.

Stärke dein Selbstwertgefühl

Es kann helfen, wenn du an deinem Selbstwertgefühl arbeitest. Selbstwert ist, wie du dich selbst, deine Eigenschaften und deine Fähigkeiten bewertest. Ein geringer Selbstwert und Schüchternheit machen dich anfälliger für Scham.

Um daran zu arbeiten, können dir Übungen für mehr Achtsamkeit und mehr Selbstmitgefühl im Alltag helfen. Probiere zum Beispiel Atemtechniken aus, die dich zur Ruhe bringen. Oder unterstützende Berührungen, durch die du dich sicher und weniger gestresst fühlst.

Stärke deine Resilienz

Es ist ebenfalls hilfreich, wenn du an deiner Resilienz  arbeitest. Resilienz ist die Fähigkeit, Krisen in deinem Leben gut zu bewältigen. Wenn du im Allgemeinen leichter mit Krisen umgehen kannst, fällt es dir auch leichter Scham zu überwinden. Dafür helfen dir zum Beispiel Entspannungsübungen oder den Blick für das Gute in deinem Leben zu schärfen. (4)(9)

(1) Dr. Bohn, Caroline.Das heimlichste Gefühl in unserer Gesellschaft: Wieso Schamgefühl so wichtig ist.https://www.evidero.de/scham-definition

(2) Wie kann ich Scham überwinden?.https://www.7mind.de/magazin/scham-ueberwinden-uebungen-definition

(3) (20.10.2021).Scham-und Schuldgefühle im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen.https://invirto.de/magazin/scham-und-schuldgefuehle-im-zusammenhang-mit-psychischen-erkrankungen/

(4)Stapf, Johanna.(07.03.2022).Darum schämen wir uns.https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/darum-schaemen-wir-uns/

(5) Egermeier, Katja.(30.06.2022).Warum Menschen erröten und was dagegen hilft.https://ptaforum.pharmazeutische-zeitung.de/warum-menschen-erroeten-und-was-dagegen-hilft-134012/

(6) Pierre.(15.12.2016).Was ist fremdschämen? Wie entsteht es? Bedeutung, Definition.https://www.bedeutungonline.de/fremdschaemen/

(7) Sartor, Annika.Warum Peinlichkeit gut ist.https://www.geo.de/geolino/mensch/15029-rtkl-psychologie-warum-peinlichkeit-gut-ist

(8) Stemper, Dirk.Kindheitstrauma: toxische Scham und cPTBS verrstehen und überwinden.https://www.praxis-psychologie-berlin.de/kindheitstrauma-toxische-scham-und-cptbs-verstehen-und-ueberwinden/

(9) Warkentin, Nils.(04.04.2023).Scham überwinden: Tipps gegen Verlegenheit +Schamgefühl. https://karrierebibel.de/scham/

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