Meditation ist vielleicht so alt wie die Menschheit selbst. Kein Wunder also, dass meditative Übungen in vielen Religionen und Kulturen eine wichtige Rolle spielen. Im Verlauf der Geschichte entstand eine Vielzahl unterschiedlicher Meditationsströmungen und Praktiken. Auch heute ist die Faszination der inneren Einkehr durch Meditation ungebrochen und liegt in der schnelllebigen westlichen Welt voll im Trend. Sie ist mittlerweile sogar ein fester Bestandteil der modernen Medizin und Psychotherapie.
Alle meditierenden Menschen vereint der Wunsch, das eigene Bewusstsein bewusst zu erleben. In der spirituellen Tradition wird die Meditation überwiegend als ein lebenslanger Weg verstanden. Am Ende dieses Weges steht das Ziel einer tiefen Verbundenheit mit sich selbst, dem Kosmos oder einem göttlichen Wesen zu erlangen. Die Wissensreihe Geschichte der Meditation stellt dir verschiedene Meditationsströmungen und meditative Praktiken vor. Dieser Artikel befasst sich mit den Ursprüngen der Meditation.
Meditation in der Frühzeit
Meditative Erfahrungen sind sicher ein Teil der menschlichen Natur. In der Frühzeit zogen die Menschen in kleinen Gruppen umher. Es gab keine großen strukturgebenden Religionen. Als Jäger und Sammler lebten sie eng verbunden mit der Natur. Schamanen stellten die Verbindung zwischen der erlebbaren und der spirituellen Welt her. Die menschliche Spezies war im Überlebenskampf bald so erfolgreich, dass nicht mehr alle Zeit zur Nahrungsbeschaffung aufgewendet werden musste. Es konnten sich Kulturen mit Kunst und Musik entwickeln. Betätigen sich Menschen kreativ, wird der Botenstoff Serotonin ausgeschüttet. Er sorgt für ein Gefühl von innerer Ruhe, Harmonie und Wohlbefinden. Es handelt sich bei kreativen Tätigkeiten also im Wesen um eine Form meditativer Übungen.
Auch haben unsere frühen Vorfahren viel Zeit gemeinsam am Lagerfeuer verbracht und in den endlosen Sternenhimmel oder die knisternden Flammen des Lagerfeuers geschaut. Die vielen Reize und Ablenkungen der modernen Welt gab es nicht. Noch heute hören viele Menschen das Knistern der Flammen und das Rauschen von Wind in den Blättern der Bäume zur Entspannung. Warum sollten frühe Jäger und Sammler also nicht meditative Zustände gekannt haben? Viele Archäologen sind heute davon überzeugt. Man könnte Meditation somit als zeitlos betrachten. [1]
Meditation – Verankert in den Religionen
In der Geschichte finden sich die ersten Erwähnungen meditativer Praktiken in den Überlieferungen spiritueller Bewegungen und Religionen. All diese Traditionen sehen Meditation nicht nur als eine Sammlung von Übungen. Sie ist immer Teil eines ethischen Gesamtpakets. Innere Ruhe und Achtsamkeit, die in der Meditation erlebt und gefördert wird, sollen auf alle Lebensbereiche übertragen werden.
Einige frühe religiöse Strömungen, in denen Meditation eine Rolle spielt, sind Buddhismus, Hinduismus und Christentum. [2]
Der Yoga
Der Ursprung des Yoga
Der Yoga ist eine der ältesten überlieferten meditativen Praktiken und stammt ursprünglich aus Indien. Er spielt insbesondere im Hinduismus eine große Rolle. Wann der Yoga entstanden ist, lässt sich nicht mehr sagen. Sicher ist nur, dass er bereits seit vielen tausend Jahren existiert und zunächst mündlich von Generation zu Generation weitergegeben wurde. In der westlichen Welt wird Yoga heute oft als ein komplexes System dynamischer Bewegungsabläufe verstanden. Er ist in seinem Ursprung jedoch ein umfassender spiritueller Weg. Nach der Lehre des Yogas sind Körper und Geist voneinander getrennt. Das Ziel des Yoga ist die Wiedervereinigung dieser beiden Elemente, sowie die Wiedervereinigung des bewussten Ich mit dem zeitlosen göttlichen Selbst. (Atman) [3]
Patanjali als Lehrmeister
Erste schriftliche Überlieferungen zum Yoga finden sich in den Sutren Patanjalis. Geschätzt wird, dass dieser zu einem Zeitpunkt zwischen 600 vor Chr. und 200 nach Chr. gelebt hat. In seinem Werk fasste Patanjali die theoretischen Grundlagen des Yoga zusammen. Er entwickelte außerdem einen mehrstufigen Yoga-Weg. Am Ende dieses Weges steht die Wiedervereinigung von Körper und Geist. Die Stufen des Yoga umfassen verschiedene Übungen zu Achtsamkeit und Selbstbeherrschung. Die Meditation (Dhyana) ist eine dieser Stufen. [4]
Der Theravada-Buddhismus
Siddharta Gautama
Der Theravada ist die älteste heute noch existierende buddhistische Strömung. Ihre Anhänger orientieren sich an der ursprünglichen Lehre Buddhas.
Der historische Buddha wurde etwa 500 Jahre vor Chr. unter dem Namen Siddharta Gautama in Indien geboren. Nach der Überlieferung soll er ein Sprössling aus königlichem Hause gewesen sein. Lange schirmte sein Vater ihn vor allem Elend und allen schlechten Einflüssen in seinem Reich ab. Als Siddharta Gautama schließlich doch mit Krankheit und Armut konfrontiert wurde, ging er einen radikalen Schritt. Er ließ seine Familie und all seinen Besitz mit dem Ziel zurück, einen Weg aus dem Leid der Welt zu finden.
Lange Zeit wanderte er durchs Land, lernte unterschiedliche spirituelle Strömungen kennen und lebte zeitweise in strenger Askese. In den bestehenden Religionen fand er jedoch keine befriedigende Lösung für seine Suche. Siddhartha Gautama nutzte Meditation als ein wichtiges Mittel der Erkenntnis. Im Alter von 35 Jahren erlangte er unter einem Bodhi-Baum vollkommene Erleuchtung (Bodhi). Er wurde zum erleuchteten Buddha. Buddha berichtete den Menschen von seinen Erkenntnissen und scharte bald eine große Anhängerschaft um sich. [5]
Die Lehre des Buddha
Nach der Lehre Buddhas ist das Leben von Grund auf durch Leid geprägt. Dieses erfahren Menschen durch Geburt, Krankheit, Alter und Tod. Die Anhänger des Theravada Buddhismus streben nach der Erleuchtung (Bodhi). Wer erleuchtet wird, durchbricht den Samsara, den Kreislauf von Leid und Wiedergeburt. Der Erleuchtete hingegen erreicht das Nirwana, also einen Zustand, der völlig vom Samsara losgelöst ist. Buddha bezeichnet das Nirwana als „das höchste Glück.“
Um erleuchtet zu werden, muss sich ein Buddhist als Würdiger (Arhat) erweisen. Die Erleuchtung (Bodhi) und damit der Eintritt ins Nirwana ist allerdings nur Mönchen möglich. Es ist die Aufgabe der Bevölkerung die Mönche zu versorgen. Wer dieser Pflicht gewissenhaft nachkommt und sich an die Lehren Buddhas hält, wird im nächsten Leben in einer besseren Position wiedergeboren. Vielleicht hat er dann sogar die Möglichkeit selbst Mönch zu werden, die Erleuchtung zu erlangen und das Nirvana zu erreichen. [6]
Meditation als Weg zur Erleuchtung
Buddhas ursprüngliche Lehre wird Abhidhamma genannt. Im fünften Jahrhundert nach Chr. fasst der Gelehrte Buddhaghosa die Lehren Buddhas im Werk Visuddhimagga zusammen. Visuddhimagga kann mit Weg zur Reinheit übersetzt werden. Die Zusammenfassung Buddhaghosas gilt unter den Anhängern des Theravada als ausführlichste und tiefgreifendste Darstellung des Buddhismus.
Um den Weg zur Erleuchtung beschreiten zu können, beschreibt Buddhagosa zwei Arten der Meditatio: Samatha, die konzentrative Meditation bringt geistige Stille. Vipassaba, die Einsichtsmeditation, soll zu vollendeter Weisheit führen. [7]
Der Mahayana-Buddhismus
Eine neue buddhistische Strömung entsteht
In einer religiösen Beratung, dem zweiten buddhistischen Konzil in Vaishali im Jahr 338 vor Chr., spaltete sich die buddhistische Urgemeinde in zwei Strömungen. Die Schule des Theravada-Buddhismus orientiert sich an der ursprünglichen Lehre Buddhas, die Mahasanghika-Schule interpretiert einige Aspekte des ursprünglichen Buddhismus neu. Nach der Auffassung des Mahasanghika soll die buddhistische Lehre nicht mehr nur den Mönchen, sondern allen Menschen voll zugänglich sein. Im vierten buddhistischen Konzil, der ein Jahrhundert nach Chr. stattfindet, ging aus dem Mahasanghika das Mahayana, der tibetische Buddhismus hervor. Mahayana bedeutet großes Fahrzeug. Der den Mönchen vorbehaltene Theravada-Buddhismus erhielt den Namen kleines Fahrzeug.
Die Lehre des Mahayana
Statt dem Streben nach dem Nirvana legen die Anhänger des Mahayana ihren Fokus auf Mitgefühl und Weisheit. Die Vorstellung von leidvoller Erfahrungswelt (Samsara) und Erlösung durch das Nirvana wird durch ein neues Bild des Erleuchteten abgelöst. Das Idealbild des edlen Bodhisattwas. Der Bodhisattwa schiebt seine eigene Erlösung auf, um anderen Lebewesen auf ihrem Weg zu helfen. Nach Vorstellung der Mahayana-Buddhisten sind Samsara und Nirvana von Natur aus leer. Der erleuchtete Mensch (Bodhisattwa) ist weder dem Samsara noch dem Nirvana zugehörig. Die Leerheit (sunyata) kann als Fehlen eines konstanten Seins und eines beständigen Ichs beschrieben werden. Sie bildet die Grundlage des Mahayana-Buddhismus.
Eine Vielzahl von Strömungen
Auch vom Mahayana-Buddhismus gibt es heute verschiedene Strömungen und unterschiedliche Arten der Praxis. Ein bedeutendes Lehrmodell des tibetischen Mahayana sind die „neun Stadien der meditativen Stabilisierung.“ Sie wurden im 500 Jahrhundert nach. Chr. in Indien von Asanga aufgeschrieben. Asanga gilt auch als Gründer der Yogacara-Schule, einer Form des Mahayana-Buddhismus.
In Tibet gilt das Stadien-Modell Asangas als ausgesprochen wichtiges Lehrstück. Als eines der ersten Werke verbindet es Achtsamkeitsmeditation mit Konzentration. Der Meditierende schwankt zwischen den extremen Stimmungen Erregung und Dösigkeit. Sein Ziel ist es mithilfe der Meditation einen ausgeglichenen und klaren Geisteszustand zu erlangen. Erlangt er ein solches meditatives Gleichgewicht, kann dieses nicht mehr erschüttert werden. [8]
Der Zen-Buddhismus
Der Zen-Buddhismus steht auf dem philosophischen Gerüst der Yogacara-Schule des Mahayana-Buddhismus. Der Mönch Bodhidharma brachte den Mahayana-Buddhismus im 500 Jahrhundert nach China. Hier entwickelte sich der Zen-Buddhismus zu einer eigenen Schule mit vielen Einflüssen traditioneller chinesischer Spiritualität und Philosophie wie Taoismus und Konfuzianismus. Im Zen sind das Streben nach sittlichem Verhalten (Sila), die Lehre meditativer Versenkung (Samadhi) und das Streben nach Weisheit (Prajñā) eng miteinander verbunden. Zen ist eine Übersetzung des indischen Worts Dhyana, welches einfach Meditation bedeutet. Die Anhänger des Zen versuchen ihren Geist von allen irdischen Zielen, von jeglicher Absicht und jeglicher Anspannung zu lösen und sich voll auf ihre natürliche Intuition zu fokussieren.
Die chinesischen Klöster, in denen die Mönche den Zen-Buddhismus praktizierten, lagen oft sehr abgelegen. Die Mönche konnten also nicht von den Almosen der Bevölkerung leben, sondern mussten sich selbst mit Lebensmitteln versorgen. Der meditative Geist des Zens umfasst deshalb auch die Arbeit, weswegen das Zen eine praktisch orientierte Schule des Buddhismus ist. Sie ist weniger verkopft als die bereits vorgestellten Schulen und die Belehrungen der Lama fallen oft kürzer aus. [9] Besuche unseren Wissensartikel Zen-Buddhismus – Philosophie und Meditation, um mehr zu erfahren.
Der Taoismus
Der Taoismus ist wie der Yoga eine sehr alte spirituelle Tradition. Auch er wurde zunächst nur mündlich weitergegeben. Laotse, der vermutlich ein Zeitgenosse Siddhartha Gautamas war, verbreitete den Taoismus in China. Die Anhänger des Taoismus wenden sich von allem Ich-bezogenem Denken und Handeln ab. Ebenso wie im Zen stellen Meditation und praktische Tätigkeit keinen Widerspruch dar. Alles Handeln erfolgt aus selbstlosem Sein und bei jeder Tätigkeit wird der Nutzen für die Gemeinschaft gesehen. Es geht nicht um Gewinnorientierung.
Zentral für den Taoismus ist die Vorstellung der Lebensenergie „Chi“ oder „Qui“. Das Chi ist die Urenergie. Sie teilt sich in die beiden Pole Yin und Yang. Die Teilung des Chi findet sich beispielsweise in den zwei Geschlechtern oder in der Trennung von Kraft und Geist. Alle meditativen Übungen des Taoismus zielen darauf ab, Krafft und Geist wieder zusammenzubringen. Sehr ausgefeilte Übungen finden sich beispielsweise im Qigong.
Gelingt es einem Menschen Kraft und Geist wieder zu vereinen, befreit er sich von der Polarität des Chi, auch wenn er zu Lebzeiten weiterhin an das Tao gebunden ist. Als Tao kann der Grund allen Seins und des Strebens eines jeden Lebewesens verstanden werden. [10] Mehr Informationen über den faszinierenden Weg des Taoismus findest du in unserem Wissensbeitrag Der Taoismus, die Philosophie der Spontanität.
Meditation und Mystik im Christentum
Kirche und persönliche Gotteserfahrung
In der christlichen Mystik gab es im Laufe der Geschichte verschiedene meditative Bewegungen mit dem Ziel göttlicher Einswerdung. Meditation konnte sich jedoch nie als fester Bestandteil des Christentums etablieren. Dies könnte an der Rolle der Kirche im Christentum liegen. Sie verstand sich immer als Vermittler zwischen Gott und den einfachen Menschen. Deshalb lehnte die Kirche persönliche, mystische Gotteserfahrung ab und unterdrückte meditative Strömungen im Christentum. Dennoch gab es sie im Verlauf der christlichen Geschichte. [11]
Jesus als Urvater christlicher Mystik
Der evangelische Pfarrer Manfred Rompf sieht sogar Jesus selbst als den Ursprung christlicher Mystik und Meditation. Jesus war der Überlieferung nach ein Meister der inneren Sammlung und des religiösen Betrachtens. Auch seine Jünger unterrichtete er in dieser Kunst. In der heute verbreiteten Version der Bibel finden sich jedoch kaum Stellen, die auf solch meditative Praktiken und persönliche Gotteserfahrung verweisen. Dies war jedoch nicht immer so. So fanden sich beispielsweise im Thomas Evangelium Passagen zu göttlicher Allgegenwart, mystischer Erfahrung und Einswerdung. Sie wurden jedoch im Konzil von Konstantinopel 381 nach Chr. größtenteils zensiert. [12]
Mystische Strömungen in der christlichen Geschichte
Ein frühes Beispiel für christliche Mystik sind die „Wüstenväter“. Diese christlichen Mönche zogen sich seit dem dritten Jahrhundert in die Einsamkeit der Wüste zurück. Sie suchten im einfachen Leben die Reinheit des Herzens mit dem Ziel ihren Geist von allen weltlichen und ich-bezogenen Gedanken zu befreien. Der Wüstenvater Johannes Cassianus (360 – 435 n. Ch.) lehrte das Beten ohne Worte. Auch empfahl er meditative Übungen, bei denen einzelne Wörter ständig wiederholt wurden.
Ein später Mystiker fand sich in Meister Eckhardt (1260 – 1328). Er wandte sich von der Vorstellung eines personifizierten Gottes ab. Stattdessen sprach er von einer allumfassenden und jedem Menschen innewohnenden Gottheit. [13]